1  Geschichte des Ovaldrehens


Ovaldrehen ist eine Drechseltechnik, die seit dem 16.  Jahrhundert in  Europa betrieben wurde, um ovale Gegenstände herzustellen. Davon gibt es  Zeugnisse  in  Museen  wie  zum  Beispiel in  der Elfenbein-Sammlung des Grünen Gewölbes in Dresden [1.1.5] ¹). Bild 0301 zeigt einen oval gedrehten Deckelpokal von Egidius Lobenigk, ab 1584 einer der berühmten  Hofdrechsler des  Kurfürsten August  von Sachsen, der 1553 - 1586  regierte. Die Drechsler und  Mechaniker der Souveräne an  den europäischen  Höfen waren  die Schöpfer  der maschinentechnischen Einrichtungen an den Drechselbänken,  die  das Ovaldrehen und andere Drechselkünste erlaubten. Es  war vor  allem das  Ovalwerk,  dessen  prinzipielle Erfindung  Leonardo da  Vinci (1452 - 1519) zugeschrieben wird und das exakt elliptische  Formen erzeugt. Die Hofdrechsler hatten auch die Aufgabe, ihre Souveräne im Drechseln zu unterweisen und die Prinzen zu korrekter Handarbeit zu erziehen [1.1.3].


 

Bild 0301 Ovaler Deckelpokal von Hofdrechsler Egidius Lobenigk
Dresden 1586 Staatliche Kunstsammlungen Dresden Grünes Gewölbe [1.1.5]


Mit dem Ovaldrehen wurden Gebrauchsgegenstände hergestellt,  für die die elliptische  Form zweckmäßig  war. Das  waren vor  allem ovale  Bilderrahmen,  die  besonders  im 19. Jahrhundert in Mode kamen, als sich die Porträt-Fotografie verbreitete.  Ovalrahmen für Bilder  und  Spiegel  wurden  bis  Mitte   des  20.  Jahrhunderts massenweise  in  Rahmenfabriken  von  Hand  an   Ovaldrehmaschinen hergestellt.  Von  diesen  Manufakturen,  die es auch überall  in Deutschland gab, ist nichts erhalten geblieben.  Im "Handbuch  der Ovaldreherei"  von  1920  wird  die   Herstellung  ovaler  Rahmen eingehend beschrieben [1.1.1]. In den USA ist  eine von  deutschen Einwanderern  1864  gegründete  Ovalrahmenfabrik  als  arbeitendes Museum  erhalten  geblieben  [2.1.7].  Man   kann  dort   die Arbeitsweise der Ovaldrehmaschinen des 19. Jahrhunderts studieren. Da das Ovaldrehen besondere Geschicklichkeit  erforderte, war  der Ovaldreher unter den Drechslern ein gut entlohnter Spezialist. Das Ovaldrehen  von  Rahmen   verschwand  aus   den  Werkstätten   und Manufakturen, als Ovalrahmen aus der Mode kamen und vor allem  als das  bedeutend  schnellere  Fräsen  eingeführt  wurde.  Allerdings konnte mit Fräsen nicht die Vielfalt an Profilierungen wie mit dem Ovaldrehen erreicht werden.


Wenn auch das  Ovaldrehen seine  Bedeutung als  Produktionstechnik verloren  hat,  interessiert  es  heute  in  zunehmenden Maße  den Kunsthandwerker, den Restaurator und denjenigen Freizeitdrechsler, der  sich den  herausfordernden Besonderheiten   der  Ovaldreherei stellen will. Sie bestehen in den  wesentlichen Unterschieden  zum normalen Drechseln beim Führen der Drechselwerkzeuge von Hand.


Voraussetzung für das Ovaldrehen ist das Ovalwerk, das bis etwa 1950 im Handel war und heute nur als begehrte Antiquität zufällig zu finden ist. Einzelne Drechsler haben sich nach den alten Vorbildern Ovalwerke gebaut. Es gibt sogar eine Anleitung, ein Ovalwerk für Studienzwecke aus Holz zu fertigen [1.2.4]. Seit 1980 laufen bei Johannes Volmer [2.1.1]  in Chemnitz  Neuentwicklungen von Ovaldrehmaschinen, die von dem  australischen Drehbank-Hersteller VICMARC [5.1] aufgegriffen wurden und auch von  Dan Bollinger  in  den  USA  [6.3] .  Im März 2006 hat das Drechselzentrum Erzgebirge Steinert® die kleine Ovaldrehmaschine picOval vorgestellt, die ebenfalls das Volmer-Ellipsengetriebe verwendet [5.4]. Während das  klassische Ovalwerk in seiner Leistung durch seine Unwucht  begrenzt war  und seine  bewegten  Teile  ständig  geschmiert  und  gewartet  werden mussten, fallen diese Nachteile  bei den Volmer - Ovaldrehmaschinen (ODM) weg - sie laufen ruhig auch bei hohen, für das Holzdrechseln günstigen Geschwindigkeiten. Inzwischen gibt es von der ODM verschiedene Varianten [5.3][5.4].                                                           

¹) Zahlen in [ ] verweisen auf das Literaturverzeichnis                                                          

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